Miryam Ruoss, Personalleiterin bei Corris, beantwortete dem Journalisten Ralph Hofbauer vom Fachmagazin «Personal Schweiz» Fragen rund um die Rekrutierung von Temporärangestellten.
personalSCHWEIZ: Frau Ruoss, wie spendenfreudig sind die Schweizer?
Miryam Ruoss: Die Schweizer haben ein grosses Herz, das belegen internationale Spendenvergleiche. Das Spendenvolumen für Hilfswerke in der Schweiz betrug 2013 gemäss einer Zewo-Studie rund 1,7 Milliarden Franken. Damit hat sich das Volumen zum siebten Mal in Folge erhöht.
Sie rekrutieren pro Jahr rund 1000 Temporärangestellte, die für Corris im Auftrag verschiedenster Non-Profit-Organisationen um Spenden werben. Welche Strategie ist bei der Rekrutierung dieser «Dialoger» am erfolgversprechendsten?
Wir versuchen, unsere Zielgruppe – kommunikative und idealistische Menschen wie Studenten und Schüler – über die für sie relevanten Medien anzusprechen. Wir schalten dazu Google-Adwords-Anzeigen und Inserate in «20 Minuten». Auch mithilfe von Facebook und Netzwerken wie Xing und LinkedIn suchen wir gezielt Menschen, die sich für eine gute Sache engagieren wollen. Viele «Dialoger» gewinnen wir dank reger Mund-zu-Mund- Propaganda von bestehenden und ehemaligen Angestellten.
Das Werben um Spenden ist relativ hart und erfordert viel Ausdauer. Wie machen Sie diese anspruchsvolle Aufgabe für die Zielgruppe attraktiv?
Wir versuchen, unseren Mitarbeitenden im gegebenen Umfeld einen möglichst attraktiven Job zu bieten. Wir bieten Dialogern wie auch unserem Büropersonal flexible Arbeitsmodelle an und ermöglichen Teilzeitarbeit auf allen Hierarchiestufen. Zudem passen wir die Löhne regelmässig an. Darüber hinaus entwickeln wir die Schulungsmassnahmen für Dialoger,Teamleiter und Koordinatoren kontinuierlich weiter. Mein Team und ich führen auch regelmässig Standortgespräche mit Dialogern durch. 2013 wurde für alle Mitarbeitenden, die eventuelle Arbeitsprobleme nicht intern lösen können, eine unabhängige Ombudsstelle eingeführt. An diese können sich Dialoger kostenlos und anonym wenden.
Der «Dialoger»-Job ist vor allem bei Studierenden als Semesterferien-Job beliebt. Wie gehen Sie mit der hohen Fluktuation um?
Unsere «Dialoger» arbeiten durchschnittlich drei bis vier Wochen für uns. Es gibt aber auch Mitarbeitende, welche uns über Monate oder Jahre treu bleiben und immer wieder Arbeitseinsätze leisten. Um den regen Mitarbeiterwechsel bewältigen zu können, haben wir eigens ein kleines und erfahrenes Team, welches sich der aufwendigen administrativen Prozesse annimmt. Auch bei einer Anstellung von nur wenigen Tagen oder Wochen unterscheidet sich der Aufwand nicht von jenem bei fest angestellten Mitarbeitenden. Unser professionelles und gut eingespieltes Innendienst-Team ist in der Lage, diese Aufgabe effizient zu erledigen.
Welche Herausforderungen stellen sich in arbeitsrechtlicher Hinsicht bei Temporärmitarbeitenden im Vergleich zu Festangestellten?
Für viele «Dialoger» ist es die erste Anstellung überhaupt. Unsere Herausforderung besteht daher darin, jedes Jahr rund 1000 Leute immer wieder mit den für alle geltenden Rechten und Pflichten eines Arbeitnehmers vertraut zu machen. Ansonsten sehen wir keine bedeutenden Unterschiede.
Mit welchen Projekten beschäftigt sich Ihre HR-Abteilung zurzeit?
Wir sind momentan damit beschäftigt, die Zeiterfassung aller «Dialoger» und ihrer Vorgesetzten von Papier auf eine digitale Lösung umzustellen. Mit unserem Partner Ergon Informatik AG haben wir dazu eine einfache und effiziente Zusatzfunktion in unsere Corris-App integriert. Die Einführung dieser elektronischen Zeiterfassung auf Tablet-Computern wird in den nächsten Wochen erfolgen. Wir sind zudem dabei, einen Talent-Pool mit unseren «Dialogern» zu bilden. Wir wollen damit ihr Potenzial frühzeitig erkennen, sie noch besser fördern und an unser Unternehmen binden.
Zur Interviewperson
Miryam Ruoss ist seit 2012 Leiterin Human Resources und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der Corris AG. Die Fundraising-Agentur mit Sitz in Zürich beschäftigt rund 75 fest angestellte Mitarbeitende sowie jährlich rund 1000 Temporärmitarbeitende. Miryam Ruoss lernte ihr Handwerk als HR-Assistentin bei einer renommierten Rückversicherungsgesellschaft. Anschliessend war sie als HR-Manager bei einem US-Kosmetikunternehmen tätig. Im Jahr 2004 erlangte sie ihr eidgenössisches Diplom als Personalfachfrau. Seither hat sie sich stetig weitergebildet, u.a. mit einem CAS in Arbeitsrecht.
Dieses Interview ist im Fachmagazin personalSchweiz in der April-Ausgabe 2015 erschienen. Den Originalartikel finden Sie hier (PDF).