In einem Interview in der Spendenbeilage des «Tages-Anzeigers» vom Juni 2013 spricht Corris-Geschäftsführer und Fundraising-Experte Baldwin Bakker über Standaktionen, effizientes Fundraising und das Vertrauen der Schweizer in ihre Hilfswerke.
Sie sammeln an zentralen Plätzen und belebten Ladenpassagen Unterschriften für verschiedene Hilfswerke. Die langjährigen Erfolge mit so genannten Dialogern zeigten, dass Standaktionen bei den Passanten gut ankommen, sagt Baldwin Bakker, CEO der Corris AG.
Ein effizientes Fundraising steht als Schnittstelle zwischen Spendern und Hilfsorganisationen: Wie muss man sich den Spendenablauf konkret vorstellen?
Spender müssen heute gezielt gesucht werden. Die Hilfswerke stehen in einem Konkurrenzkampf und müssen für die Sicherung ihrer wichtigen Anliegen in die Werbung von neuen Spendern investieren. Das Fundraising kann zum Beispiel über Mailings, Fernsehspots, Internet oder Standkampagnen erfolgen. Mit der Durchführung werden oft spezialisierte Agenturen beauftragt, weil diese die Leistungen günstiger und effizienter als die Hilfswerke selbst erbringen können.
Weshalb setzen Sie auf Standkampagnen und welche Ziele verfolgen die Hilfswerke damit?
Sie können nur so in einen direkten und persönlichen Kontakt mit den Spendern treten. Standaktionen sind meiner Ansicht nach eine effiziente und gleichzeitig sympathische Methode, um insbesondere junge Menschen für die Anliegen von Hilfswerken zu sensibilisieren. Damit können langfristige und treue Spender gewonnen werden.
Wie reagieren Passanten erfahrungsgemäss auf die Spendensammler, die sogenannten Dialoger?
Die langjährigen Erfolge zeigen, dass Standaktionen gut ankommen. Die Passanten werden persönlich über das Anliegen informiert, können Fragen stellen und ein Hilfswerk als Förderer langfristig unterstützen. Der frei wählbare Beitrag wird meistens mittels Lastschriftverfahren bezahlt, weil dies die günstigste und sicherste Zahlungsmethode ist. Die Hilfswerke informieren regelmässig darüber, wofür sie die Spenden einsetzen.
Wie werden die Spendensammler auf ihre Aufgabe vorbereitet?
Den Dialogern wird ein Basiswissen über das Hilfswerk und das Verhalten am Infostand vermittelt. Vor dem ersten Einsatz bereiten sie sich im Selbststudium intensiv auf die Anliegen des Hilfswerks vor. Die Hilfswerke selbst führen mit den Dialogern regelmässig Schulungen durch. Am Informationsstand werden sie von Koordinatoren und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen unterstützt und betreut.
Kritisiert wird in der Öffentlichkeit, dass es immer wieder vorkommt, dass man von einem Dialoger zu wenig umfassend beraten wird. Was sagen Sie dazu?
Die Dialoger wissen in der Regel gut über das Hilfswerk Bescheid und können deshalb auch differenziert darüber informieren. Natürlich kann es einmal vorkommen, dass ein Dialoger eine Frage nicht beantworten kann. In solchen Fällen kann dem Spender ein direkter Kontakt zum Hilfswerk angeboten werden.
Wie weit verbreitet ist Ihrer Ansicht nach das Misstrauen, dass Spenden nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden? Oder die Befürchtung, dass das gespendete Geld in einem undurchsichtigen Verwaltungsapparat versandet?
Jedes Hilfswerk erfordert einen gewissen Verwaltungsaufwand, um die Spendengelder möglichst effektiv einsetzen zu können. Und jedes Hilfswerk muss einen Teil seiner Einnahmen in die Gewinnung von neuen Spendern investieren, damit auch in Zukunft genügend Mittel für die Bewältigung der Aufgaben und Ziele zur Verfügung stehen. Die meisten Hilfswerke sind heute ZEWO-zertifiziert. Das garantiert dem Spender, dass der grösste Teil der Spenden direkt in konkrete Projekte investiert wird.
Wer sich auf der Strasse für eine Spende zugunsten einer Hilfsorganisation entscheidet, bezahle damit vor allem die Fundraising-Organisationen, lautet ein weiterer Kritikpunkt.
Jeder Beitrag, der gespendet wird, geht sofort und direkt ans Hilfswerk und kann von diesem eingesetzt werden. Die Hilfswerke bekommen für jeden Franken, den sie in Standaktionen investieren, langfristig ein Vielfaches zurück. Wir wissen aus langjähriger Erfahrung, dass unsere Art von Spendensammeln effizient ist. Und bei den Hilfswerken sitzen Profis, denen genau bekannt ist, in welche Art von Werbung und in welche Partner sie die ihnen anvertrauten Gelder möglichst effektiv investieren.
Wie erfolgreich sind Ihrer Ansicht nach Strassenkampagnen – im Gegensatz etwa zu Spendenmailings, die per Post verschickt werden?
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist unter dem Strich vergleichbar. Allerdings kann mit Standaktionen auch ein jüngeres Zielpublikum erfolgreich angesprochen werden.
Welche Bedeutung hat für Sie ganz persönlich das soziale Engagement?
Ich finde soziales Engagement sehr wichtig. Nur so können viele Probleme in dieser Welt gelöst werden. Soziales Engagement heisst für mich nicht nur, regelmässig zu spenden. Ich bin ehrenamtlich in mehreren Stiftungen tätig und halte regelmässig Vorträge zum Thema Fundraising an verschiedenen Fachhochschulen.
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Das Interview ist auch unter Spendenschweiz abrufbar. Die gesammte Spendenbeilage können Sie hier als PDF-Datei abrufen.